Dieser Artikel wurde am 13. Dezember 2016 von Holden Karnofsky im englischen Original auf Open Philantropy veröffentlicht und im Jahr 2023 ins Deutsche übersetzt.

Foto von RhondaK Native Florida Folk Artist

Grundsätzlich versuchen wir, die besten Spendenmöglichkeiten zu finden, indem wir viele Möglichkeiten miteinander vergleichen. Viele der Vergleiche, die wir anstellen wollen, hängen jedoch von sehr strittigen, ungewissen Fragen ab.

Zum Beispiel:

  • Manche Menschen sind der Meinung, dass Tiere wie Hühner im Vergleich zu Menschen im Grunde kein moralisches Gewicht haben; andere meinen, dass sie als vergleichbar wichtig oder zumindest als 1-10 % so wichtig angesehen werden sollten. Wenn man die letztere Ansicht vertritt, scheint das Wohlergehen von Nutztieren ein außerordentlich wichtiges Anliegen zu sein, das potentiell andere Optionen in den Schatten stellt: Jedes Jahr erfahren Milliarden von Hühnern eine unglaublich grausame Behandlung in der Massentierhaltung, und wir schätzen, dass professionelle Kampagnen für jeden ausgegebenen Dollar über 200 Hühner aus der Käfighaltung befreien können. Aber wenn man die erste Ansicht akzeptiert, erscheint diese Arbeit als eine schlechte Investition.
  • Einer Argumentation zufolge wird der größte Teil unserer Wirkung durch unsere Effekte auf die langfristige Zukunft erzielt werden. Wenn dies zutrifft, könnte das ein Argument dafür sein, dass die Verringerung globaler Katastrophenrisiken, die Beschleunigung der wissenschaftlichen Forschung oder die allgemeine Verbesserung der gesellschaftlichen Funktionsfähigkeit durch die Politik von überwältigender Bedeutung sind. Angesichts der Schwierigkeiten, Vorhersagen über die langfristige Zukunft zu treffen, ist es sehr schwierig, solche Arbeit mit evidenzbasierten Maßnahmen zur globalen Armutsbekämpfung zu vergleichen.
  • Eine zusätzliche Unklarheit besteht in der Frage, wie wir diese Art von Unsicherheit beseitigen sollten. Wir könnten versuchen, unsere Unsicherheiten mit Hilfe von Wahrscheinlichkeiten zu quantifizieren (z. B. „Es besteht eine 10%ige Chance, dass ich Hühner 10% so hoch werten sollte wie Menschen“), um eine Art Erwartungswert für jeden der vielen Ansätze des Spendens zu erstellen. Den meisten Parametern in einer solchen Berechnung würde es jedoch sehr an Fundierung und Robustheit mangeln und es ist unklar, wie man solche Berechnungen gewichten sollte. Darüber hinaus würde eine Berechnung dieser Art auf Herausforderungen im Zusammenhang mit normativer Ungewissheit (Ungewissheit über Moralität) stoßen, und es ist unklar, wie man mit solchen Herausforderungen umgehen sollte.

In diesem Beitrag verwende ich den Begriff „Weltanschauung“ für eine Reihe höchst diskutierbarer (und vielleicht unmöglich zu bewertender) Überzeugungen, die eine bestimmte Art des Spendens favorisieren. Eine Weltanschauung könnte implizieren, dass evidenzbasierte Wohltätigkeitsorganisationen, die Armut auf der Welt bekämpfen, weitaus lohnender sind als jede der oben diskutierten Arten des Spendens; eine andere könnte implizieren, dass der Schutz von Nutztieren wichtiger ist; eine weitere könnte implizieren, dass die Reduzierung globaler Katastrophenrisiken am wichtigsten ist. Eine konkrete Weltanschauung repräsentiert eine Kombination von Ansichten, die manchmal sehr schwer zu entwirren sind, so dass die Unsicherheit zwischen den Weltanschauungen durch eine Mischung aus empirischer Unsicherheit (Unsicherheit über Fakten), normativer Unsicherheit (Unsicherheit über Moralität) und methodologischer Unsicherheit (z.B. Unsicherheit darüber, wie mit Unsicherheit umzugehen ist, wie im dritten Aufzählungspunkt oben dargelegt) erzeugt ist. Einige etwas detailliertere Beschreibungen von Beispielen für Weltanschauungen finden sich in einer Fußnote1.

Eine Herausforderung für uns besteht darin, dass wir mehrere Weltanschauungen für plausibel halten. Wir fühlen uns zu zahlreichen Spendenmöglichkeiten hingezogen, die manche als herausragend und andere als relativ geringwertig ansehen würden. Wir müssen entscheiden, wie wir die verschiedenen Weltanschauungen abwägen, da wir versuchen, mit begrenzten Mitteln so viel Gutes wie möglich zu tun.

Bei der Entscheidung zwischen verschiedenen Weltanschauungen spricht einiges dafür, einfach unsere bestmögliche Einschätzung2 abzugeben und bei dieser bleiben. Wenn wir das täten, würden wir uns ausschließlich auf Tierschutz oder auf globale Katastrophenrisiken oder auf globale Gesundheit und Entwicklung oder auf eine andere Kategorie von Spenden konzentrieren, ohne die anderen zu beachten. Das ist allerdings nicht der Ansatz, den wir derzeit verfolgen.

Stattdessen praktizieren wir eine Diversifizierung der Weltanschauungen: Wir stellen beträchtliche Mittel für jede Weltanschauung zur Verfügung, die wir für sehr plausibel halten. Wir sind der Meinung, dass es für uns möglich ist, in jedem der verschiedenen Bereiche einen transformativen Beitrag zu leisten, und wir wollen uns diese Chance – zum heutigen Zeitpunkt – nicht entgehen lassen, indem wir uns ausschließlich auf eine Weltanschauung konzentrieren und einen schnell abnehmenden Grenznutzen erzielen.

In diesem Beitrag werden wir erläutern, aus welchen Gründen wir unsere Weltanschauungen diversifizieren. Kurz gesagt:

  • Ich werde zunächst die Argumente gegen eine Diversifizierung der Weltanschauungen erörtern. Wenn wir versuchen, die erwartete positive Wirkung zu maximieren, ohne uns dabei um das Risiko zu sorgen, überhaupt nichts Gutes zu tun, spricht einiges dafür, dass wir einfach alle verfügbaren Ressourcen für die Ziele der Weltanschauung aufbringen sollten, die unserer bestmöglichen Einschätzung entspricht.
  • Ich werde im Weiteren mehrere Gründe für eine Diversifizierung der Weltanschauungen auflisten, in Situationen, in denen (a) eine hohe Unsicherheit besteht und wir mehrere Weltanschauungen für sehr plausibel halten; (b) der Grenznutzen stark abnehmen würde, wenn wir alle unsere Ressourcen für die Ziele einer einzigen Weltanschauung aufbringen würden.
    • Erstens kann die Diversifizierung der Weltanschauungen unter einer Reihe von einfachen Annahmen, einschließlich (a) und (b), den erwarteten Nutzen maximieren.
    • Zweitens: Wenn wir uns vorstellen, dass verschiedene Weltanschauungen unterschiedliche Werte repräsentieren (und nicht nur unterschiedliche Meinungen, so dass eine davon letztlich “die richtige“ wäre, wenn wir vollständige Informationen hätten), und dass die Menschen, die unterschiedliche Werte vertreten, versuchen, sich hinter einem Schleier der Unwissenheit auf gemeinsame Grundsätze zu einigen (mehr dazu weiter unten), scheint es wahrscheinlich, dass sie einer Form der Diversifizierung von Weltanschauungen als wünschenswerte Praxis für all jene zustimmen würden, die letztlich über unplausible Mengen an Ressourcen verfügen.
    • Eine Diversifizierung der Weltanschauungen zu praktizieren bedeutet, ein Personal mit der Kapazität zu entwickeln, in vielen Problembereichen tätig zu sein. Dies bietet die Möglichkeit, sich anzupassen, wenn sich unsere Weltanschauung im Laufe der Zeit ändert. Es erhöht auch unsere langfristigen Chancen, große Auswirkungen auf den allgemeinen Dialog rund um das Thema Philanthropie zu haben, da wir einer größeren Anzahl von Spender*innen handfeste und nützliche Informationen liefern können.
    • Es gibt noch einige weitere praktische Vorteile, die sich aus der Arbeit in einem breiten Spektrum von Problembereichen ergeben. Dazu zählen die Möglichkeit, die in einem Bereich gewonnenen Erkenntnisse zur Verbesserung unserer Arbeit in einem anderen Bereich zu nutzen, ein genaues Bild unserer Werte an die Öffentlichkeit zu vermitteln, sowie den Grad zu erhöhen, zu dem unsere erwartete Wirkung auf lange Sicht mit unserer tatsächlichen Wirkung übereinstimmt. (Letzteres könnte sich positiv auf unsere eigene Fähigkeit und die anderer auswirken, unsere Leistungen zu bewerten).
  • Abschließend werde ich kurz die entscheidenden Bedingungen erörtern, unter denen eine Diversifizierung der Weltanschauungen eine gute Idee zu sein scheint, und ein grobes Bild davon zeichnen, wie wir sie derzeit in der Praxis umsetzen.

Beachten Sie, dass Diversifizierung der Weltanschauungen einfach ein weit gefasster Begriff für den Einsatz erheblicher Ressourcen für mehrere Weltanschauungen ist – er bedeutet nichts so Spezifisches wie „verteile Ressourcen gleichmäßig auf die Weltanschauungen“. In diesem Beitrag werden die Vorteile der Diversifizierung von Weltanschauungen erörtert, ohne genau zu sagen, wie (oder in welchem Maße) man die Ressourcen zwischen den Weltanschauungen aufteilen sollte. In Zukunft hoffen wir, weitere Arbeit in die Reflektion und den Diskurs darüber stecken zu können, welche spezifischen Weltanschauungen wir am überzeugendsten finden und wie wir sie gegeneinander abwägen.

Beachten Sie auch, dass sich dieser Beitrag auf die Entscheidung konzentriert, wie man Ressourcen zwischen verschiedenen plausiblen, bereits identifizierten Problembereichen aufteilt, nicht auf den Prozess der Identifizierung vielversprechender Problembereiche.

Argumente gegen eine Diversifizierung der Weltanschauungen

Hätten wir vollständige Informationen und einen vollständigen Einblick in unsere eigenen Werte, dann würden wir wahrscheinlich erkennen, dass einige Weltanschauungen für uns viel bessere Leitprinzipien für Spenden bieten als andere. Ein relativ klares Beispiel bietet der Vergleich zwischen GiveWell’s Top-Wohltätigkeitsorganisationen und unserer bisherigen Arbeit zum Schutz von Nutztieren:

  • GiveWell schätzt, dass seine Top-Wohltätigkeitsorganisation (Malaria Consortium) den Verlust von einem Jahr Leben pro 77 bis 243 Dollar verhindern kann (je nachdem, von welchem der Länder, in denen operiert wird, die Rede ist).
  • Wir haben geschätzt, dass durch professionelle Kampagnen für jeden ausgegebenen Dollar über 200 Hennen aus der Käfighaltung befreit werden können. Wenn wir uns grob vorstellen, dass jedes Huhn zwei Jahre eines um 25 % verbesserten Lebens gewinnt, entspricht dies einem Jahr Hühnerleben pro 0,01$.
  • Wenn man die Lebensjahre von Hühnern mit den Lebensjahren von Menschen gleichsetzt, bedeutet dies, dass professionelle Tierschutzkampagnen im Vergleich zu GiveWell’s Top-Wohltätigkeitsorganisationen pro Dollar etwa 10.000-mal so viel Gutes bewirken. Wenn du glaubst, dass Hühner in keinerlei moralisch relevanten Art leiden, bedeutet dies, dass professionelle Kampagnen nichts Gutes bewirken3.
  • Man könnte natürlich Hühner wertschätzen, während man Menschen mehr wertschätzt. Wenn man Menschen 10-100 mal so sehr wertschätzt, bedeutet das immer noch, dass professionelle Tierschutzkampagnen eine weitaus bessere Verwendung der Mittel sind (Faktor 100-1.000). Wenn man Menschen als 1.000.000 mal wertvoller einschätzt, bedeutet dies noch immer, dass Top-Wohltätigkeitsorganisationen eine weitaus bessere Verwendung der Ressourcen sind. Es erscheint unwahrscheinlich, dass das Verhältnis in jenem engen Bereich liegt, in dem diese beiden Optionen eine ähnliche Effizienz in ihrer Kostenwirksamkeit aufweisen.

Ich denke, ähnliche Überlegungen gelten in groben Zügen auch für andere Vergleiche, z.B. bei der Verringerung globaler Katastrophenrisiken im Vergleich zu Verbesserungen in der Politik, wobei die Quantifizierung solcher Zwecke viel schwieriger ist.

Man könnte sich daher vorstellen, dass es eine „beste Weltanschauung“ gibt (wenn wir vollständige Informationen hätten), die uns anleiten kann, weit mehr Gutes zu tun als all die anderen. Und wenn das stimmt, könnte man argumentieren, dass wir uns ausschließlich auf die Weltanschauung konzentrieren sollten, die nach besten Einschätzungen die beste ist, um den Erwartungswert des Guten zu maximieren. Wenn wir zum Beispiel glauben, dass eine Weltanschauung 10.000-mal besser ist als all die anderen, würde selbst eine 1-10%ige Chance, richtig zu liegen, immer noch bedeuten, dass wir im Erwartungswert viel mehr Gutes tun werden, wenn wir uns auf diese Weltanschauung konzentrieren.

Dieses Argument setzt voraus, dass wir risikoneutral sind: dass unser Ziel nur darin besteht, den Erwartungswert unserer guten Taten zu maximieren. Das heißt, wir nehmen das Risiko in Kauf, dass wir die falsche Entscheidung treffen, all unsere Ressourcen für den Dienst an einer fehlgeleiteten Weltanschauung aufwenden und letztlich nur sehr wenig erreichen. Eine solche Risikoneutralität erscheint Menschen, die an Investment-Metaphern gewöhnt sind, oft seltsam: Anleger sind selten der Meinung, dass die Möglichkeit, ihr Geld zu verdoppeln, die Möglichkeit, alles zu verlieren, vollständig ausgleicht, und sie nutzen für gewöhnlich Diversifizierung, um die Varianz ihrer Erträge zu verringern (sie konzentrieren sich nicht nur auf die erwarteten Erträge). Wir haben jedoch nicht die gleichen Gründe für die Angst vor dem Scheitern wie gewinnorientierte Anleger. Es gibt keine unverhältnismäßigen Konsequenzen für das Scheitern, Gutes zu tun, so wie im Falle einer Insolvenz, daher ist es ein Risiko, das wir gerne eingehen, solange es durch die Möglichkeit ausgeglichen wird, sehr viel Gutes zu tun. Das Open Philanthropy Project ist bestrebt, in der hier dargelegten Weise risikoneutral zu sein, obwohl es einige andere Gründe gibt anzunehmen, dass es problematisch sein könnte, alles auf eine Karte zu setzen (siehe unten).

Argumente für eine Diversifizierung der Weltanschauungen

Ich denke dass die Argumente für eine Diversifizierung der Weltanschauungen sich weitgehend auf zwei Schlüsselfaktoren stützen:

Große Unsicherheit darüber, welche Weltanschauungen am plausibelsten sind. Wir sind uns bewusst, dass jede beliebige Weltanschauung fehlgeleitet erscheinen könnte, wenn wir vollständige Informationen hätten – aber noch darüber hinaus glauben wir, dass jede beliebige Weltanschauung fehlgeleitet wirken könnte, wenn wir die verfügbaren Informationen rationaler reflektieren würden. Mit anderen Worten: Wir haben das Gefühl, dass es mehrere Weltanschauungen gibt, „deren Eigenschaften sie als diejenige qualifizieren könnten, auf die wir am besten unsere Ressourcen konzentrieren – mehrere Weltanschauungen, die potentiell unseren erwarteten Nutzen maximieren könnten, wenn wir intelligenter über die Angelegenheit nachdenken würden“. Es ist für uns denkbar, dass uns eines Tages irgendeine dieser Weltanschauungen als die beste erscheint. Wir empfinden das zum Teil deshalb so, weil wir intelligente, vernünftige Menschen sehen, die sich der Argumente für jede Weltanschauung bewusst sind und sie dennoch ablehnen.

Manche Menschen erkennen an, dass ihre Einschätzung dessen, welche die bestmögliche Weltanschauung ist, falsch sein könnte, sind aber dennoch der Meinung, dass sie im Hinblick auf den Erwartungswert eindeutig die beste ist, auf die man setzen sollte. Einige argumentieren beispielsweise, dass es am besten ist, sich auf die weit entfernte Zukunft zu konzentrieren, selbst wenn eine Wahrscheinlichkeit von >99 % besteht, dass die Argumente, die dafür sprechen, fehlgeleitet sind, weil der Wert einer Verbesserung der fernen Zukunft so gewaltig ist, sollten sich die Argumente als gültig erweisen. Tatsächlich scheinen diese Leute keine realistische Möglichkeit offenzulassen, ihre Meinung in dieser Sache zu ändern. Nach Einbeziehung aller Argumente – einschließlich unserer Unsicherheit über unsere Art der Modellierung des Erwartungswertes – neige ich dazu, die Erwartungswerte der verschiedenen plausiblen Weltanschauungen ähnlich einzustufen.

Abnehmende Grenzerträge bei der Bereitstellung von Ressourcen für eine bestimmte Weltanschauung. Man betrachte einen Problembereich wie den Schutz von Nutztieren oder die potenziellen Risiken fortgeschrittener KI. Mir scheint, Spenden im Bereich von mehreren zehn Millionen Dollar pro Jahr (über ungefähr 10 Jahre) könnten wahrscheinlich die besten Maßnahmen finanzieren, das Wachstum relevanter Bereiche  und Disziplinen unterstützen und die Chancen, dass die Sache andere Finanzierungsquellen (sowohl private Spender als auch Regierungen) anzieht, erheblich verbessern. Viel mehr zu spenden würde zu stark abnehmenden Grenzerträgen führen. Ich könnte meine Intuition grob quantifizieren, indem ich sage, dass eine zehnfach höhere Spende nur etwa zweimal so viel bewirken würde. (Es gibt Problembereiche, bei denen diese Dynamik nicht annähernd so stark zum Tragen kommt; so ist beispielsweise bei der Unterstützung von Bargeldtransfers an sehr arme Menschen nicht viel von abnehmenden Grenzerträgen zu sehen).

Unter Berücksichtigung dieser beiden Faktoren gibt es eine Reihe von Argumenten für eine Diversifizierung der Weltanschauungen.

Erwartungswert

Wenn man starke Ungewissheit und abnehmende Grenzerträge berücksichtigt, kann die Diversifizierung der Weltanschauungen den erwarteten Wert maximieren, selbst wenn eine Weltanschauung in der Erwartung „besser“ ist als die anderen. Hier eine Möglichkeit, dies auszudrücken: Wenn wir zwischen zehn Weltanschauungen wählen müssten und eine davon fünfmal so gut wäre wie die anderen neun, dann wäre die Investition all unserer Ressourcen in deren priorisierte Maßnahmen – aufgrund abnehmender Grenzerträge – schlechter als die Verteilung auf alle zehn4.

Ich denke, diese Dynamik wird durch die Tatsache verstärkt, dass es so vieles gibt, was wir nicht wissen, und dass sich eine bestimmte Weltanschauung aus subtilen und unvorhergesehenen Gründen als viel besser oder viel schlechter erweisen könnte, als es den Anschein hat5.

Es ist mir nicht klar, wie viel Sinn es ergibt, in diesen Begriffen zu denken. Ein Teil unserer Ungewissheit in Bezug auf Weltanschauungen ist unsere Ungewissheit in Bezug auf moralische Werte: Verschiedene Weltanschauungen könnten in erheblichem Maße inkommensurabel sein, das heißt, es gibt keine sinnvolle Möglichkeit, moralische Werte zwischen ihnen, oder auch innerhalb ihres Rahmens zu vergleichen. Es wurden einige Systeme für den Umgang mit der Unsicherheit zwischen inkommensurablen moralischen Systemen vorgeschlagen6, aber es besteht erhebliche Unsicherheit darüber, wie nützlich diese Systeme sind und wie man sie anwenden kann.

Beachten Sie, dass die Argumentation in diesem Abschnitt nur für Weltanschauungen mit einem ähnlichen erwarteten Gesamtwert gilt. Wenn man der Meinung ist, dass eine bestimmte Weltanschauung um Größenordnungen bessere Möglichkeiten für Spenden bietet als andere, überwiegt dies wahrscheinlich das Problem der abnehmenden Grenzerträge.

Die Ethik hinter dem Schleier der Unwissenheit

Ein weiteres Argument für die Diversifizierung der Weltanschauungen ergibt sich in gewisser Weise aus dem entgegengesetzten Ansatz. Anstatt die verschiedenen Weltanschauungen als unterschiedliche Vermutungen darüber zu betrachten, wie man am meisten Gutes tun kann, so dass jede einen Erwartungswert hat und sie letztlich nach den gleichen Kriterien verglichen werden, stellen Sie sich vor, dass die verschiedenen Weltanschauungen die Perspektiven verschiedener Menschen7 mit unterschiedlichen, nicht vergleichbaren Werten und Rahmenbedingungen darstellen. So könnte es etwa der Fall sein, dass einigen Menschen Tiere genauso am Herzen liegen wie Menschen, während anderen das Wohlergehen von Tieren überhaupt nicht wichtig ist, und dass kein Lern- oder Denkaufwand etwas daran ändern würde. Wenn wir zwischen Weltanschauungen wählen, entscheiden wir uns, mit welcher Art von Menschen wir uns am meisten identifizieren, mit welchen wir am meisten sympathisieren, und in dieser Frage sind wir uns sehr unsicher.

Eine Möglichkeit, über die ethische Frage nachzudenken, wie Menschen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen miteinander umgehen sollten, besteht darin, eine Art Schleier des Nichtwissens zu verwenden: Stellen Sie sich vor, zu welchen Vereinbarungen solche Menschen über die Nutzung von Ressourcen kämen, würden sie über die Verteilung verhandeln, bevor sie wüssten, wie viele Ressourcen jedem von ihnen später individuell zur Verfügung stehen werden8. Eine solche Vereinbarung könnte lauten: „Wenn einer von uns letztlich über wesentlich mehr Ressourcen verfügt als die anderen, sollte diese Person einen Teil der Ressourcen für die Zwecke aufwenden, die all den anderen am Wichtigsten sind – bis zu einem gewissen Punkt abnehmender Grenzerträge – anstatt alle Ressourcen für die von dieser Person bevorzugten Anliegen aufzuwenden.“ Jede Person könnte (auf der Grundlage des obigen Modells der abnehmenden Grenzerträge) akzeptieren, dass, wenn sie am Ende über weit mehr Ressourcen verfügt als die anderen, diese Vereinbarung sie schlechter stellt, aber nur um 50 %. Wenn hingegen jemand anderes am Ende über weit mehr Ressourcen verfügt, wird diese Vereinbarung sie weit besser stellen.

Dies ist nur eine grobe Skizze davon, wie ein erstrebenswertes Prinzip aussehen könnte. Man könnte noch weitere Details hinzufügen, z. B. „Die Person mit den größeren Ressourcen sollte mehr in diejenigen Bereiche investieren, in denen sie mehr verändern kann, z. B. in vernachlässigten Problemgebieten.“

Wir sehen mehrere attraktive Weltanschauungen, für deren Zwecke scheinbar wenige Ressourcen aufgewendet werden, und wir haben laut mehrerer dieser Weltanschauungen die Möglichkeit, eine transformative Wirkung zu erzielen. Diese Chance zu nutzen, ist insofern ethisch richtig, als es eine Vereinbarung widerspiegelt, die wir hinter einem Schleier der Unwissenheit getroffen hätten, und es bedeutet, dass wir die Welt entsprechend unterschiedlicher Wertvorstellungen verbessern können, obwohl wir uns unsicher sind, welche die richtige ist. Ich denke, dass es für Konsequentialisten, wie auch für Nicht-Konsequentialisten, eine gute Heuristik ist, in ethischen Fragestellungen wie dieser den Schleier des Nichtwissens zu berücksichtigen und ihm Bedeutung beizumessen. Das gilt insbesondere, wenn man keinen soliden Rahmen für den Vergleich der Gütegrade der erwarteten Ergebnisse verschiedener Optionen hat.


Kapazitätenaufbau und der Wert, sich Optionen zu erhalten

Letztes Jahr haben wir unseren Prozess des Kapazitätenaufbaus beschrieben:

Unsere Ziele und Bemühungen haben sich auf folgende Projekte fokussiert: (a) die Auswahl von Schwerpunktbereichen; (b) die Einstellung von Mitarbeitern, die unsere Arbeit in diesen Bereichen leiten (siehe unser jüngstes Update); (c) in jüngster Zeit die intensive Arbeit mit Neuzugängen und Probemitarbeiter:innen an ihren ersten Empfehlungen für den Einsatz von philanthropischen Geldern. Zusammengenommen bezeichnen wir diese Aktivitäten als Kapazitätenaufbau. Wenn wir Erfolg haben, wird das Endergebnis ein erweitertes Team von Menschen sein, die (a) in gut ausgewählten Schwerpunktbereichen arbeiten; (b) (zu Recht) mit viel Vertrauen und Autonomie ausgestattet sind; (c) in der Lage sind, viele großartige Möglichkeiten für Spenden in den Bereichen zu finden, an denen sie arbeiten.

Neben dem Aufbau interner Kapazitäten (Personal) hoffen wir, das Wachstum der Bereiche, in denen wir arbeiten, zu unterstützen und im Laufe der Zeit Kenntnisse zu erlangen, die uns bei der Arbeit in den einzelnen Bereichen effektiver machen. All dies zusammengenommen ist Kapazitätenaufbau in dem Sinne, dass es langfristig unsere Fähigkeit verbessern wird, in großem Umfang wirksam zu helfen. Es gibt eine Reihe von Vorteilen für den Aufbau von Kapazitäten in einer Vielzahl von Bereichen, die laut unterschiedlicher Weltanschauungen attraktiv sind (z. B. für den Aufbau von Kapazitäten in den Bereichen Strafrechtsreform, Tierschutz in der Landwirtschaft, Biosicherheit und Pandemievorsorge usw.).

Ein Vorteil ist, sich Optionen aufrechtzuerhalten. Wir gehen davon aus, dass sich unsere Ansichten darüber, welche Weltanschauungen am attraktivsten sind, im Laufe der Zeit weiterentwickeln werden. Ich habe zum Beispiel vor Kurzem drei Schlüsselthemen erörtert, zu denen ich in den letzten Jahren meine Meinung geändert habe, mit erheblichen Auswirkungen darauf, wie vielversprechend ich verschiedene Felder finde. Es ist sehr gut möglich, dass wir in zehn Jahren eine bestimmte Weltanschauung (und die damit verbundenen Problemfelder) für viel wichtiger halten als die anderen — und dass sie nicht mit unserer derzeitigen Einschätzung übereinstimmt. In diesem Fall werden wir froh sein, dass wir jahrelang in den Aufbau von Kapazitäten investiert haben, so dass wir unsere Unterstützung schnell und in großem Umfang ausweiten können.

Ein weiterer langfristiger Vorteil ist, dass wir für Spender mit unterschiedlichen Weltanschauungen nützlich sein können. Wären wir ausschließlich in Bereichen tätig, die der unserer Einschätzung nach besten Weltanschauung entsprechen, wären wir in erster Linie für Spender:innen nützlich, die dieselbe Weltanschauung vertreten. Wenn wir jedoch Arbeit leisten, die allen Weltanschauungen entspricht, die wir für sehr überzeugend halten, sind wir für jede:n Spender:in nützlich, deren/dessen Werte und Ansätze den unseren weitgehend ähnlich sind. Das ist ein großer Unterschied: Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, die im Grunde ähnliche Werte wie wir haben, die aber in einigen höchst unsicheren, aber grundlegenden Fragen unterschiedliche Einschätzungen haben – zum Beispiel, wie die Verringerung globaler Katastrophenrisiken, die Beschleunigung der wissenschaftlichen Forschung oder die Verbesserung der Politik zu bewerten ist.

Mit einer Diversifizierung der Weltanschauung können wir hoffen, jeden Spender anzusprechen – und an ihn verwiesen zu werden – der die positive Wirkung seiner Spende maximieren möchte. Langfristig bedeutet dies, dass wir gute Aussichten haben, viele Kontakte durch Mundpropaganda zu knüpfen, vielen Spendern zu helfen, effektiver zu spenden, und den allgemeinen Dialog über Philanthropie zu beeinflussen.

Ein weiterer langfristiger Nutzen ist die Möglichkeit Spender:innen mit diversen Weltbildern erreichen zu können. Würden wir exklusiv in den Problemfeldern arbeiten, die unserer Einschätzung des besten Weltbildes entsprechen, dann wären wir primär für Spender:innen mit derselben Einschätzung interessant. Wenn wir aber entsprechend all der Weltbilder arbeiten, die wir für überzeugend halten, werden wir für alle Spender:innen interessant, deren Werte und Ansätze ungefähr den unseren entsprechen. Das ist ein großer Unterschied: Ich denke, dass es viele Leute gibt, deren Werte unseren sehr nahekommen, die aber andere Einschätzungen in sehr ungewissen, aber fundamentalen Fragen abgeben – etwa wie man die Verringerung globaler Katastrophenrisiken gegen die Beschleunigung wichtiger Forschung oder Verbesserungen in der Politik gewichtet.

Mit einer Diversifizierung der Weltbilder hoffen wir all die Spender:innen, die den positiven Einfluss ihrer Spenden maximieren wollen, anzusprechen und an sie empfohlen zu werden. Ich denke, wir werden dadurch langfristig gute Aussichten haben viele Verbindungen auf persönlichem Wege herzustellen, vielen Spender:innen zu helfen, effektiver zu spenden und den generellen Dialog rund um das Thema Philanthropie zu beeinflussen.

Andere Nutzen der Weltbild-Diversifizierung

Weltbilder zu diversifizieren meint, an einer Vielzahl von Problembereichen zu arbeiten, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Das hat einige praktische Vorteile.

Wir können, was wir in einem Bereich gelernt haben, nutzen, um unsere Arbeit in einem anderen zu verbessern. Zum Beispiel:

  • Manche der Problembereiche, in denen wir arbeiten, sind sehr vernachlässigt und dünn besiedelt insofern, als wenige Organisationen darin arbeiten. Andere sind reicher an Organisationen und wurden aus anderen Gründen als Vernachlässigung gewählt. Letztere zu verstehen kann uns helfen, einen Sinn für die Art von Aktivität zu entwickeln, die wir früher oder später in ersteren Bereichen hoffen, unterstützen zu können.
  • Manche Problembereiche, in denen wir arbeiten, beinhalten sehr langfristige Ziele und wenig Möglichkeit für Feedback (das gilt vor allem bei Anstrengungen, globale Katastrophenrisiken zu verringern). In anderen Problembereichen können wir erwarten, Fortschritte zu sehen und aus unseren Ergebnissen zu lernen (zum Beispiel bei Strafrechtsreformen, einem Bereich, den wir in großen Teilen wegen seiner Nachprüfbarkeit gewählt haben).
  • Verschiedene Problembereiche haben verschiedene kulturelle Merkmale. Indem wir uns breit aufstellen, arbeiten wir mit einer Anzahl verschiedener Programmleiter:innen, deren unterschiedliche Stile und Ansätze einen fruchtbaren Austausch ermöglichen.

Es erleichtert es beiläufigen Beobachtern (wie der Presse), unsere Werte und Motive zu verstehen. Manche der Bereiche, in denen wir arbeiten, sind recht ungewöhnlich für eine philanthropische Organisation und wir haben gelegentlich Menschen getroffen, die unsere Motive in Frage stellen. Indem wir in einer Vielzahl an Problemfeldern tätig sind, deren Sinnhaftigkeit in manchen Fällen einfacher zu erkennen ist als in anderen, erleichtern wir es beiläufigen Beobachtern, unsere fundamentalen Werte, wie auch die Muster hinter unseren Entscheidungen genau zu verstehen. Da Berichterstattung die Wahrnehmung vieler Menschen beeinflusst, könnte dieser Vorteil einen langfristigen positiven Effekt auf unsere Marke und ihre Glaubwürdigkeit haben.

In der langen Frist wird unsere erwartete Wirkung eine bessere Approximation unserer tatsächlichen Wirkung darstellen. Unsere Treffer-basierte Herangehensweise an Philanthropie impliziert, dass wir in vielen Fällen substantielle Ressourcen in eine Sache investieren, obwohl wir denken, dass es relativ wahrscheinlich ist, dadurch überhaupt keine Wirkung zu erzielen. (Das potentielle Risiko durch Künstliche Intelligenz ist eine solche Sache.) Stellen wir alle unsere Ressourcen in den Dienst der unserer Einschätzung nach besten Weltanschauung, so hätten wir vielleicht letztlich kein einziges erfolgreiches Projekt vorzuweisen, selbst wenn wir intelligente, nach hohem Erwartungswert ausgerichtete Entscheidungen träfen. Auf der anderen Seite könnten wir Glück haben und letztlich als viel verlässlicher in Urteil und Erfolg dastehen, als wir eigentlich sind. In jedem Fall wäre unsere Fähigkeit, unsere eigene Leistung realistisch einzuschätzen und daraus zu lernen, stark eingeschränkt. Für die Fähigkeit Anderer, unsere Arbeit zu beurteilen, um zu entscheiden, wie viel Gewicht sie unseren Ansichten beimessen sollten, gilt dasselbe. 

Die Diversifizierung der Weltanschauungen relativiert dieses Problem etwas. Wenn wir letztlich substanzielle Ressourcen für die Zwecke zehn verschiedener Weltanschauungen aufwenden, können wir zurecht auf einen oder mehrere Treffer hoffen, selbst wenn jeder einzelne Zweck etwas weit hergeholt ist. Falls wir keine Treffer landen, haben wir einen Hinweis darauf, dass wir etwas falsch machen, und falls wir einen oder mehrere erhalten, wird das wahrscheinlich unsere Glaubwürdigkeit stärken.

Letztendlich gehen wir immer noch eine relativ kleine Anzahl von Wetten ein, und es gibt gemeinsame Elemente in Argumentation und im Ansatz, die wir bei jeder dieser Wetten einbringen, so dass der Nutzen, den wir an dieser Front haben, begrenzt ist.

Arbeitsmoral und Rekrutierung. In einer Vielzahl von Bereichen zu arbeiten, macht unsere Organisation zu einem interessanteren Arbeitsplatz. Es bedeutet, dass unsere Arbeit auch dann spannend und motivierend bleibt, wenn sich unsere Ansichten und unsere besten Vermutungen ändern, und selbst dann, wenn es in einer bestimmten Sache lange Zeit kaum Fortschritte gibt. Es bedeutet, dass unsere Arbeit bei mehr Menschen auf Resonanz stößt, wodurch sich die Community, mit der wir produktiv interagieren können, vergrößert. Dieser Punkt alleine würde nicht für eine volle Argumentation für eine Diversifizierung der Weltanschauungen ausreichen, aber ich wäre nachlässig, diesen Faktor nicht zu erwähnen.

Wann und wie sollte man die Diversifizierung der Weltanschauungen anwenden?

Wie oben erörtert, stützen sich die Argumente für eine Diversifizierung der Weltanschauungen in hohem Maße auf zwei Faktoren: (a) wir sind uns sehr unsicher und halten mehrere Weltanschauungen für höchst plausibel; (b) würden wir alle unsere Ressourcen für die Zwecke einer einzigen Weltanschauung aufwenden, so würde das stark abnehmende Grenzerträge liefern. Einige der sekundären Vorteile, die im vorigen Abschnitt erörtert wurden, sind zudem spezifisch für eine öffentlichkeitsnahe Organisation mit viel Personal. Ich denke, dass eine Diversifizierung der Weltanschauungen für relativ große Geldgeber sinnvoll ist, insbesondere für solche mit der Möglichkeit, eine transformative Wirkung im Sinne mehrerer verschiedener, hoch ansprechender Weltanschauungen zu erzielen. Ich glaube nicht, dass eine Diversifizierung für eine Einzelperson, die 100 oder sogar 100.000 Dollar pro Jahr spendet, sinnvoll ist. Ich glaube auch nicht, dass es für jemanden sinnvoll ist, der fest davon überzeugt ist, dass ein Problembereich viel wichtiger ist als die anderen.

Das „Wie“ einer Diversifizierung haben wir noch nicht im Detail ausgearbeitet. Theoretisch könnte man einen formalen Ansatz entwickeln, der sowohl die direkten Vorteile jeder potenziellen Zuwendung als auch die unzähligen Vorteile der Diversifizierung von Weltanschauungen berücksichtigt, um zu einem Fazit darüber zu gelangen, wie viel für jedes Anliegen bereitgestellt werden sollte. Man könnte auch Überlegungen einbeziehen wie „Ich bin mir nicht sicher, ob die Weltanschauungen A und B im richtigen Verhältnis stehen oder nicht; es gibt eine X-%ige Chance, dass dies der Fall ist, in diesem Fall sollten wir die eine Verteilung vornehmen. Es gibt dazu eine Y-%ige Chance, dass dies nicht der Fall ist, dann sollten wir eine andere Zuweisung vornehmen“. Wir haben diese Art von Fragen diskutiert, haben aber noch keinen detaillierten Ansatz dieser Art entwickelt. Auch haben wir noch nicht gründlich darüber nachgedacht und explizit festgehalten, welche Weltanschauungen wir am überzeugendsten finden und wie wir sie gegeneinander abwägen.

Es ist wahrscheinlich, dass wir im kommenden Jahr Anstrengungen an dieser Front unternehmen werden, auch wenn dies nicht notwendigerweise zu einer vollständigen oder zufriedenstellenden Darstellung unserer Ansichten und unseres Ansatzes führen wird. Fürs erste einige kurze Anmerkungen zu unseren bisherigen Praktiken:

Gegenwärtig neigen wir dazu, so lange Ressourcen in einem Problembereich zu investieren, bis die Grenzerträge stark abzunehmen scheinen, oder bis es scheint, dass die Ergebnisse eindeutig schlechter sind als das, was wir durch eine Umverteilung der Ressourcen erreichen könnten — je nachdem was zuerst eintritt. Etwas konkreter:

  • Was die Personalkapazität angeht, so scheint es mir bisher von großem Vorteil zu sein, eine:n Vollzeitmitarbeiter:in für jeden individuellen Problembereich zu beschäftigen, unterstützt von 1-3 weiteren Mitarbeiter:innen, die genug Zeit in diesem Bereich arbeiten, um fundiertes Feedback zu geben. Zusätzliches Personal scheint im Allgemeinen schnell abnehmende Grenzerträge zu bringen, allerdings gehen wir von Fall zu Fall vor und stellen zusätzliches Personal ein, wenn es den Anschein hat, dass dies unsere Spendenverteilung wesentlich verbessern könnte.
  • In Bezug auf Geld haben wir bisher direkte Geldtransfers als Referenzpunkt für den Vergleich mit potentiellen Zuschüssen genutzt; wenn ein Vergleich nicht möglich ist, haben wir oft Heuristiken verwendet, wie z. B. „Ist es wahrscheinlich, dass dieser Zuschuss einen wichtigen Aspekt der Gemeinschaft von Menschen/Organisationen, die an diesem Problembereich arbeiten, wesentlich stärkt?“, um grob den Punkt stark abnehmenden Grenznutzens zu bestimmen. Wir tendieren dazu, jede Zuwendung voranzutreiben, wenn wir die Argumente dafür gut verstehen und die Zuwendung nach den Maßstäben ihres Problembereiches bzw. der damit verbundenen Weltanschauung gut dasteht (und wenn sie angesichts unserer Unsicherheit zumindest einigermaßen wahrscheinlich mit Zuwendungen in anderen Problembereichen/Weltanschauungen, einschließlich Geldtransfers, konkurrenzfähig ist). In besonders vielversprechenden und/oder vernachlässigten Problembereichen (in denen wir besonders viel verändern können) legen wir die niedrigere Messlatte für die Finanzierung von Projekten an. In anderen Bereichen suchen wir eher nach sehr guten Projekten. Dieser Ansatz ist bei weitem nicht perfekt, hat aber den Vorteil, dass er in der Praxis recht einfach umzusetzen ist, da wir derzeit über genügend Ressourcen verfügen, um alle Projektförderungen, die diesen Beschreibungen entsprechen, voranzutreiben.

Wie bereits erwähnt, hoffen wir, uns im kommenden Jahr eingehender mit diesen Fragen befassen zu können. Ideen für prinzipientreue, systematischere Arten, die Diversifizierung der Weltanschauungen zu praktizieren, wären für uns von großem Interesse.

Du möchtest aktiv werden?

  1. Lies die Einführung zum Effektiven Altruismus für einen ersten Überblick.
  2. Abonniere den Newsletter, um von neuen Programmen und Angeboten zu erfahren.
  3. Nimm am Intro Programm teil, um online oder vor Ort mit anderen Grundlagen zu lernen und zu diskutieren. 


Fußnoten

  1. Man könnte den uneingeschränkten Utilitarismus sowie einige andere Prämissen voll und ganz akzeptieren und glauben, dass die Arbeit an globalen Katastrophenrisiken einen viel höheren Erwartungswert hat als die Arbeit in anderen Problembereichen.

    Man könnte den uneingeschränkten Utilitarismus und die Idee akzeptieren, dass der moralische Wert der fernen Zukunft andere Erwägungen überwiegt – aber zugleich glauben, dass unsere Auswirkungen auf die ferne Zukunft sehr schwer bis unmöglich zu verstehen und vorherzusagen sind, und dass der richtige Weg, mit dieser Ungewissheit über unsere Wirkungen umzugehen, darin besteht, sich stattdessen darauf zu konzentrieren, die Welt auf messbare, verlässliche Weise zu verbessern. Diese Ansicht könnte mit einer Reihe unterschiedlicher Meinungen darüber, welche Problembereiche am wichtigsten sind, konsistent sein.

    Man könnte dem uneingeschränkten Utilitarismus eine gewisse Glaubwürdigkeit einräumen. Zugleich könnte man auch der Idee Glaubwürdigkeit einräumen, dass wir besondere Pflichten gegenüber denjenigen Menschen haben, die in der heutigen Gesellschaft leben, die unter ungerechten Verhältnissen leiden und die spür- und beobachtbar von unseren Handlungen profitieren können. Je nachdem, wie man mit der normativen Ungewissheit zwischen diesen beiden Positionen umgeht, könnte dies zu einer Vielzahl unterschiedlicher Schlussfolgerungen darüber führen, welche Problembereiche priorisiert werden sollten.

    Jeder der oben genannten Punkte könnte eine Weltanschauung im Sinne meiner Definition darstellen. Meinungen über die moralische Gewichtung von Tieren gegenüber Menschen könnten die obigen Punkte zusätzlich verkomplizieren. ↩︎
  2. Genauer gesagt, unsere beste Einschätzung dazu, welche Weltanschauung oder Kombination von Weltanschauungen am sinnvollsten ist, um so viel Gutes wie möglich zu erreichen. Dies ist nicht notwendigerweise dasselbe wie die Frage, welche Weltanschauung am wahrscheinlichsten eine Reihe von korrekten Überzeugungen, Werten und Ansätzen repräsentiert: Es könnte sein, dass eine bestimmte Weltanschauung nur zu 20 % eine Reihe von korrekten Überzeugungen, Werten und Ansätzen repräsentiert, dass aber, wenn dies der Fall ist, die Befolgung dieser Weltanschauung zu einer >100-fachen positiven Wirkung führen würde, verglichen mit der Befolgung jeder anderen Weltanschauung . Wenn es eine solche gäbe (und man es wissen könnte), dann wäre das diejenige Weltanschauung, nach der man handeln sollte. ↩︎
  3. (Bayes'sche Anpassungen sollten diesen Unterschied bis zu einem gewissen Grad verringern, wobei es unklar ist, um wie viel, wenn man — wie ich — glaubt, dass beide Einschätzungen ziemlich fundiert und vernünftig sind, wenn auch bei weitem nicht präzise oder zuverlässig. Ich werde diese Überlegung hier beiseite lassen.) ↩︎
  4. Nehmen wir an, X sei die Menge an Gutem, die wir erreichen könnten, wenn wir Y Dollar in eine der neun Weltanschauungen investieren, die nicht die beste ist, und stellen wir uns weiter vor, dass Y Dollar um den Punkt des abnehmenden Grenzertrages herum liegt, an dem die zehnfache Investition nur noch zweifach so viel Gutes bewirkt. Dies würde dann bedeuten, dass bei einer Investition von Y Dollar in jede der zehn Weltanschauungen das 14-fache an Gutem erreicht würde (Faktor fünf für die beste Weltanschauung, eins für jede der anderen neun), während bei einer Investition von zehn mal Y Dollar in die beste Weltanschauung das 10-fache an Gutem erreicht würde. Der diversifizierte Ansatz ist also unter diesen Annahmen etwa 1,4-mal so gut. ↩︎
  5. Nehmen wir zum Beispiel an, wir kehren zu dem obigen Fall zurück (siehe vorherige Fußnote), stellen uns aber auch vor, dass unsere Einschätzungen des Wertes der Weltanschauungen einige Fehler enthalten, so dass eine der zehn Weltanschauungen tatsächlich einen 1000-fachen Wert hat und eine andere Weltanschauung tatsächlich einen Wert von 0 hat (am relevanten Punkt abnehmender Grenzerträge, welche weiter gleich funktionieren). Welche zwei das sind, wissen wir nicht. Dann würde die Investition von Y Dollar in jede der zehn Weltanschauungen einen Nutzen von mindestens Faktor 1.008 bringen, während die Investition von zehn mal Y Dollar in die „beste“ Weltanschauung einen Nutzen von etwa Faktor 208 bringen würde (letzteres ist 2*(10 %*Faktor 1.000 + 10 %*8 + 80 %*Faktor 5)). Während im vorherigen Fall der diversifizierte Ansatz etwa 1,4-mal so gut aussah, sieht er hier fast 5-mal so gut aus. ↩︎
  6. Siehe etwa MacAskill, 2014 ↩︎
  7. Ich nutze das Wort „Menschen“ der Einfachheit halber, obwohl ich mir vorstellen könnte, die Analyse in diesem Abschnitt mit Wertesystemen für Tiere zu erweitern. ↩︎
  8. Ich bin mir bewusst, dass dieser Aufbau Unterschiede zu jenem bekannten Schleier des Nichtwissens aufweist, wie er von Rawls eingeführt wurde. Ich denke aber dennoch, dass dieser Aufbau nützlich ist, um in diesem Fall Intuitionen zu vermitteln. ↩︎